Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung, welche das Fotografieren in Museen betrifft, noch einmal deutlich gemacht, wie leicht Fotografien den Schutz als Lichtbilder gemäß § 72 UrhG in Anspruch nehmen können und wie sorgsam man das Hausrecht von Museen, Galerien und Sammlungen beachten sollte.
Lichtbildschutz vs. Hausrecht zum Fotografieren in Museen
Es wird immer wieder unterschätzt, dass so gut wie jedes Lichtbild einen Schutz des Urheberrechtes in Anspruch nehmen kann und nicht nur Arbeiten von Anna Leibowicz, Wolfgang Tillmanns, Andres Gursky oder auch Industriefotografien des Ehepaares Becher.
Aber auch die dem Hausrecht entstammenden Fotografierverbote vertraglicher Art sind ernst zu nehmen. Zwar stellt sich die Frage, ob es zu einem wirksamen Vertragsschluss gekommen ist und die Klauseln des betreffenden Fotografierverbotes wirksam sind. Dennoch sollte man diese Verbote sehr ernst nehmen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018, I ZR 104/17 – Museumsfotos).
Das gilt gerade auch für solche Werke in Museen, welche dem Urheberrecht nicht unterliegen oder deren Schutz durch das Urheberrecht nicht mehr besteht.
Der unter anderem auch für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nämlich entschieden, dass Fotografien von (gemeinfreien) – also den nicht mehr durch das Urheberrecht geschützten Werken – Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken regelmäßig Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen. Der Senat hat weiter entschieden, dass der Träger eines kommunalen Kunstmuseums von einem Besucher, der unter Verstoß gegen das im Besichtigungsvertrag mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen vereinbarte Fotografierverbot Fotografien im Museum ausgestellter Werke anfertigt – unabhängig davon, ob die Person dieses Verbot kannte oder hätte kennen müssen – und im Internet öffentlich zugänglich macht, als Schadensersatz Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung verlangen kann.
Die Klägerin des Verfahrens betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum in Mannheim. Sie hat im Jahr 1992 durch einen Mitarbeiter dort ausgestellte Kunstwerke fotografieren lassen und diese Fotografien in einer Publikation veröffentlicht.
Der Beklagte ist ehrenamtlich für die deutschsprachige Ausgabe des Internet-Lexikons Wikipedia mit dem zentralen Medienarchiv Wikimedia Commons tätig. Der Beklagte hat Fotografien in die Mediendatenbank Wikimedia Commons hochgeladen und zum öffentlichen Abruf bereitgestellt, auf denen Werke – Gemälde und andere Objekte – aus der im Eigentum der Klägerin stehenden Sammlung zu sehen sind. Diese Werke sind sämtlich gemeinfrei, also wegen Ablaufs der Schutzfrist (§ 64 UrhG) urheberrechtlich nicht mehr geschützt. Bei den Fotografien handelte es sich teilweise um Aufnahmen aus der Publikation der Klägerin, die der Beklagte zuvor eingescannt hatte. Die übrigen Fotos hatte der Beklagte bei einem Museumsbesuch im Jahr 2007 selbst angefertigt und Wikimedia Commons unter Verzicht auf sein Urheberrecht zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung und Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen. Sie stützt ihren Unterlassungsanspruch hinsichtlich der vom Beklagten eingescannten Fotografien auf Urheber- und Leistungsschutzrechte. Hinsichtlich der vom Beklagten selbst erstellten Fotografien beruft sie sich auf eine Verletzung des mit dem Beklagten geschlossenen Besichtigungsvertrages, der ein Fotografierverbot enthalte, sowie auf eine Verletzung ihres Eigentums an den ausgestellten Objekten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist – soweit für die Revision von Bedeutung – ohne Erfolg geblieben.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Das Hochladen der eingescannten Bilder aus der Publikation der Klägerin verletzt das der Klägerin vom Fotografen übertragene Recht, die Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 72 Abs. 1 UrhG, § 19a UrhG). Die Fotografie eines Gemäldes genießt Lichtbildschutz nach § 72 Abs. 1 UrhG. Bei ihrer Anfertigung hat der Fotograf Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen. Deshalb erreichen solche Fotografien regelmäßig – so auch im Streitfall – das für den Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung.
Mit der Anfertigung eigener Fotografien anlässlich eines Museumsbesuchs hat der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Fotografierverbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benutzungsordnung und aushängende Piktogramme mit einem durchgestrichenen Fotoapparat stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die wirksam in den privatrechtlichen Besichtigungsvertrag einbezogen worden sind und der Inhaltskontrolle standhalten. Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.
Vorinstanzen:
LG Stuttgart – Urteil vom 27. September 2016 – 17 O 690/15
OLG Stuttgart – Urteil vom 31. Mai 2017 – 4 U 204/16