Persönlichkeitsrechte an Bildern und der Datenschutz - das "abgestufte Schutzkonzept" des Bundesgerichtshofes zur Veröffentlichung von Bildern steht im Mittelpunkt einer Entscheidung. Gegenstand war das Scheidungsverfahren einer bekannten Comedian und Schauspielerin, welches sich 2018 ereignete. Während die Wortberichterstattung als Teil der sogenannten "Sozialsphäre" grundsätzlich zulässig war, untersagte der Bundesgerichtshof die Veröffentlichung von Bildern. Besondere Beachtung verdient diese Entscheidung auch deshalb, weil der Bundesgerichtshof die Bedeutung der DSGVO für das Recht am eigenen Bild geklärt hat.
die Bedeutung von KUG und Landespressegesetzen - kein Relevanz der DSGVO
Der Bundesgerichtshof prüft vor dem Kunsturhebergesetz (KUG) zunächst, ob denn das Recht des Datenschutzs maßgeblich ist. Der für Presserecht zuständige VI. Zivilsenat hat dann mit seiner Entscheidung vom 07. Juli 2020 (Urt. v. 07.07.2020, VI ZR 246/19) entschieden, dass zwar die Wortberichterstattung von einer Scheidung einer prominenten Person zulässig sein kann, nicht aber die Verbreitung von Bildern.
keine Anwendung der DSGVO auf Sachverhalte der Bild- und Wortberichterstattung
Der Bundesgerichtshof erläutert, dass die Länder von der in Art. 85 DSGVO vorgesehenen Öffnungsklausel für Journalistinnen und Journalisten Gebrauch gemacht haben.
Dies umfasst das „Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken„.
Das Gericht verweist auf die einzelnen Landespressegesetze und die Regelungen der §§ 22, 23 KUG. Aus diesem Grund setzt die Veröffentlichung eines Fotos die Einwilligung einer betroffenen Person oder das Vorliegen bestimmter Ausnahmebestimmungen voraus.
das "abgestufte Schutzkonzept" des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof gesteht grundsätzlich den Medien das Recht zu, selbst zu entscheiden, über welche Themen sie unterrichten und ob sie diese bebildern. Dies entspricht seiner ständigen Rechtsprechung und beruht auf der Freiheit der Presse gemäß Art. 5 I GG.
die Scheidung einer bekannten Schauspielerin – die Privat- und Sozialsphäre
Dabei ordnet Bundesgerichtshof die Berichterstattung über die Scheidung einer bekannten Persönlichkeit den Berichten über ihre Sozialsphäre zu.
Zulässig sind Bilder über das Zeitgeschehen gemäß § 23 I KUG und damit Ereignisse, die für das Interesse der Gesellschaft von Bedeutung sind. Es muss sich dabei nicht um Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung handeln.
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Freiheit der Bildberichterstattung
Der Grundsatz der Freiheit der Bildberichterstattung ist gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abzuwägen. Dabei ist das berechtigte Informationsinteresse in einer Abwägung im Einzelfall in einen „möglichst schonenden Ausgleich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht“ zu bringen.
Diese Abwägung berücksichtigt, wie man die Bilder erhalten hat und ob diese durch Nachstellung oder das Eindringen in die Privatsphäre erlangt wurden. Hingegen ergäbe sich der Informationsanspruch aus dem „öffentlichen Interesse“, wie er auch in der Wortbildberichterstattung seinen Niederschlag findet.
Je geringer der „Informationswert“ sei, umso schwerer wiegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes der Schutz einer Persönlichkeit. Namentlich das „Sensationsinteresse“ der Öffentlichkeit wird durch den Bundesgerichtshof kritisch bewertet.
der unterschiedliche Schutz für Politikerinnen und Politiker, in der Öffentlichkeit stehende Personen und Privatpersonen
Der Bundesgerichtshof unterscheidet bezüglich des Schutzumfanges gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hinsichtlich des Schutzes nach Politikerinnen und Politikern, in der Öffentlichkeit stehenden Personen und Privatpersonen. Während die ersteren die umfassendste Kritik ertragen müssen, werden bei der Berichterstattung über Privatpersonen die engsten Grenzen gezogen.
die Umstände der Bildgewinnung als maßgeblicher Faktor und die „Privatheit“ einer Situation
Eine eigenständige Bedeutung kommt auch den Umständen der Bildgewinnung zu. Das „Ausnutzung von Heimlichkeit und beharrlicher Nachstellung“ sind ebenfalls bedeutsam wie die „Situation (in) welcher der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird“. Auch die Frage, ob eine Situation durch „Privatheit“ geprägt sei, spiele eine Rolle. Allerdings erfordern nach Ansicht des Bundesgerichtshofes das Konzept der „Privatheit“ und die dadurch geprägte Situation und das Recht, nicht abgebildet zu werden, nicht eine räumliche Abtrennung.
die Einzelfallentscheidung des Bundesgerichtshofes – kein Bild mit Mütze, Sonnenbrille und Mantel vor dem Gericht
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes stellten die maßgeblichen Fotos unter Berücksichtigung seiner Grundsätze eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes dar. Daran änderte auch die verwendete Kleidung der Schauspielerin und die Tatsache, dass ihr Ehemann ebenfalls bekannt war, nichts. Aber auch der Umstand, dass die Klägerin vor dem Gericht und außerhalb des Gerichtssaales abbildet wurde, sprach nicht gegen eine Rechtsverletzung.
kein erweiterter Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aufgrund des Schutzes von Ehe und Familie
Das Gericht bemühte für den Schutz nicht den verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie. Dieses Grundrecht führe nicht zu einer Ausdehnung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes.
die Zulässigkeit der Bildberichterstattung
Aufgrund der sachlichen und auf das öffentliche Interesse bezogenen Wortberichterstattung hielt der Bundesgerichtshof diese für zulässig.
kritische Anmerkungen
Die Grundsätze des Bundesgerichtshofes vermögen mich weder im Hinblick auf die „Privatheit“ eines öffentlichen Auftrittes noch bezüglich der Abwägung in diesem Fall überzeugen.
In einem Zeitalter, in welchem die Vermarktung von Persönlichkeiten auch die Kontrolle über Bilder umfasst, sollten auch kritische Aufnahmen grundsätzlich möglich sein.
Angesichts der Bildaufnahmen vor einem Gericht und außerhalb eines Sitzungssaales werden in Zukunft Bilder von Beerdigungen, Scheidungsverfahren, Streitigkeiten und anderen „unangenehmen“ Situationen immer unter dem Damoklesschwert der „Privatheit“ zu beurteilen sein.
Dem widerspricht aber die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass gerade auch störende oder schmerzhafte Äußerungen möglich sein müssen. Entsprechend sollte es sich jedoch auch bei Bildern verhalten.
Auch die Tatsache, dass die Bilder eine durch einen Mantel, eine Sonnenbrille oder eine Mütze verborgene Person auf einem öffentlichen Platz zeigen, sollte dagegen sprechen, die Freiheit der Berichterstattung einzuschränken.
Bilder über die Scheidung einer Comedian gehören eben auch zum Zeitgeschehen. Der Gedanke, dass gerade auch Comedians selbst mit ihren Äußerungen Anlaß zu Diskussionen und Auseinandersetzungen bieten, ist aber auch ein Teil der Erwägungen, welchen sich der Bundesgerichtshof nicht gewidmet hat.