Strafbare rassistische Beleidigungen in privaten Chatgruppen - verfassungsrechtlicher Schutz der Privatsphäre? Kann man sich darauf verlassen, dass private Äußerungen in einer Chatgruppe Teil der Privatsphäre sind? Ist die Privatsphäre nicht verfassungsrechtlich geschützt? Und was gilt, wenn ich eine private Chatgruppe aus persönlich befreundeten Arbeitskollegen oder Arbeitskolleginnen unterhalte? Grundsätzlich schützt das Bundesverfassungsgericht auf der Grundlage des Grundgesetzes die Privatphäre und damit auch die Chatkommunikation. Das Bundesarbeitsgericht hat aber entschieden, dass auch in privaten Chatgruppen verbreitete Äußerungen eine fristlose Kündigung rechtfertigen können.
Der verfassungsrechtliche Schutz der Privatsphäre durch das Bundesverfassungsgericht
Art. 2 I GG schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht jeder einzelnen Person. Das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.2020, 2 BvR 652/20) gesteht dem Einzelnen das Recht zu, über die Offenbarung persönlicher Lebenssachverhalte selbst zu entscheiden.
Der Schutz der Privatsphäre der Kommunikation
Der Schutz der Privatsphäre einzelner Personen ist umso intensiver, je näher Äußerungen oder Daten der Intimsphäre der betroffenen Personen stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.2020, 2 BvR 652/20 RZ 31). Die Intimsphäre beansprucht „als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz … . “
Zu dem Bereich der Privatsphäre – nicht der Intimsphäre – gehört auch die private Kommunikation in einer Chatgruppe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.10.2020, 2 BvR 652/20 RZ 31).
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur fristlosen Kündigung wegen rassistischer und sexistischer Beleidigungen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer Entscheidung vom 24.08.2023 (vgl. BAG, Urteil vom 24.08.2023, 2 AZR 17/23) entschieden, dass auch der Inhalt einer Kommunikation in einer privaten Chatgruppe Grund für eine fristlose Kündigung geben kann.
Auch bei einer Chatgruppe von nur 7 Mitgliedern hatte das betroffene Mitglied der Chatgrupe nach Ansicht des BAG nur einen begrenzten Willen zur Geheimhaltung. Dieser reichte jedoch nicht aus, von einer bewußten Geheimhaltung auszugehen, weshalb der Chat von dem Unternehmen zur Begründung herangezogen werden konnte. Das Unternehmen, an welchen der Chat weitergeleitet worden war, durfte diesen zur Grundlage der Kündigung machen.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör des Arbeitgebers im Kündigungsprozess
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitgeber sein Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 I GG durchsetzen könne. Damit könne er erreichen, dass auch Chatprotokolle aus dieser Konversation zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden.
Das Verfassungsrecht auf rechtliches Gehör würde das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegen. Die Aufrufe zu Gewalt und Beleidigungen im Hinblick auf Vorgesetzte und Kollegen seitens des Klägers würden seine Privtasphäre zudem nur im geringen Maß berühren. Grobe Beleidigungen stellten eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die ein Arbeitgeber berücksichtigen müsse.
Fazit - Chatgruppen - Konversationen
Man kann sich in Chatgruppen nicht wie in persönlichen Gesprächen ohne weiteres auf den Schutz der Privatsphäre berufen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der beleidigende und unter Umständen strafbare Inhalt Arbeitskollegen oder Vorgesetzte betrifft.
Diese Rechtsprechung des BAG dürfte auch für andere Rechtsgebiete beispielhaft sein, wenn es sich um Unterlassungsansprüche aufgrund von schwerwiegenden Beleidigungen oder aggressiven Drohungen handelt.