zulässige Sperrung auf sozialen Netzwerken wegen Hassrede !

zulässige Sperrung auf sozialen Netzwerken wegen Hassrede ! Viele Nutzerinnen und Nutzer sehen sich in Kommentarspalten auf Sozialen Netzwerken einem ungeheuren Hass ausgesetzt. Beleidigungen, Beschimpfungen und Gewaltphantasien verbunden mit der Androhung sexueller Handlungen sehen sich viele Frauen und Männer ausgesetzt. Wie gefährlich diese Hassreden sind, haben die Attentate auf Walter Lübcke im Jahr 2019 und auf den französischen Lehrer Samuel Paty im Oktober 2020 gezeigt. In beiden Fällen waren den Mordanschlägen massive Bedrohungen in den Sozialen Netzwerken vorausgegangen. Das Oberlandesgericht Hamm hat mit Urteil vom 15. September 2020 (29 U 6/20) entschieden, dass die Sperrung eines Accounts zulässig ist. Denn dadurch wurde die Verbreitung von Hassrede unterbunden.




Attentate auf Walter Lübcke und Samuel Paty und die Meinungsfreiheit

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Meinungsfreiheit ein „schlechthin konstituierendes Element“ des Grundgesetzes.  Auch gerade im Zusammenhang mit Einträgen auf Sozialen Netzwerken betont das Gericht die Bedeutung auch solcher Meinungsäußerungen, die „wahr oder unwahr, begründet oder unbegründet, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos“ sein dürfen (BVerfG 1 BvR 811/17, Beschluss vom 27. August 2019).

Bußgeldentscheidung setzt eine Abwägung im Einzelfall voraus

Diese Entscheidung fiel in einem Rechtsstreit zwischen einem Nutzer und einer Landesmedienanstalt. Die Anstalt hatte für verschiedene gegen den Jugendschutz verstoßende Äußerungen pauschal ein Bußgeld verhängt. Das Bundesverfassungsgericht erwartete jedoch in jedem einzelnen Fall einer Entscheidung eine Abwägung unter Berücksichtigung des Art. 5 I GG.

die Mordanschläge auf Walter Lübcke und Samuel Paty

Die beiden Attentate auf Walter Lübcke im Juni 2019 und Samuel Paty  im Oktober 2020 haben noch einmal auf schreckliche Weise deutlich gemacht, welche Auswirkung die Verbreitung von Hassrede im Internet hat.

Aufgrund dieser Morde haben Soziale Netzwerke Nutzungsbestimmungen eingeführt, welche die Verbreitung von „Hassrede“ verbieten.

 


das Urteil des Oberlandesgericht Hamm zu Nutzungsbedingungen auf Sozialen Netzwerken

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einer Entscheidung (Urteil vom 15.09.2020, Az.: 29U 6/20) die Nutzungsbedingungen des Sozialen Netzwerk zur Hassrede geprüft. Es hat diese Regelungen  für die Sperrung von Nutzern als wirksam erachtet.

Danach ist die Verbreitung von rechtswidrigen und strafbaren Inhalten untersagt und zu diesem Zweck dürfen auch Nutzerkonten gesperrt werden.

die §§ 305 c Absatz 1 und 307 BGB zur Überprüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Klauseln, die untersagen, dass Personen aufgrund bestimmter Eigenschaften als „minderwertig“ herabgesetzt werden, sind nicht überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift zur Überprüfung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) verbieten Klausel, mit denen man nach dem „Erscheinungsbild eines Vertrages“ nicht rechnen muss.

Aber sie stellen auch keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar, welcher ebenfalls die Überprüfung von AGB regelt.

Die Wirkung des Art. 5 GG zum Schutz der Meinungsfreiheit

Das Oberlandesgericht hält Art. 5 GG entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – wenn überhaupt – zwischen Privaten nur für mittelbar anwendbar. Dabei sei die Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 GG und die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 GG und der Schutz des Eigentums gemäß Art. 14 GG gegeneinander abzuwägen. Unternehmerische Entscheidungen, die einen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellen würden, seien dann zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden.

die mittelbare Anwendung von Grundrechten gegenüber großen Plattformen

Das Bundesverfassungsgericht (11. April 2018, 1 BvR 3080/09) hatte in einer Entscheidung zu einem sogenannten „Stadionverbot“ die mittelbare Anwendung des Art. 3 I GG zwischen Privaten nicht ausgeschlossen.  Im Fall eines sachlich gerechtfertigten Grundes sah es aber auch unterschiedliche Behandlungen von Personen als zulässig an.

Rechtfertigung eines Ausschluß bei schwerem Verstoß

Das Oberlandesgericht beurteilte den Ausschluß eines Nutzers als gerechtfertigt, wenn diese Person im besonders schweren Maß gegen Rechtsvorschriften verstößt.


kritische Anmerkungen

Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung das hohe Gut der Meinungsfreiheit betont. Indem es auch „wertlose, gefährliche, unwahre oder unbegründete“ Äußerungen schützt, möchte es einen umfassenden Kommunikationsprozeß ermöglichen.

nur eine mittelbare Anwendung des Grundrechtes der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 bei großen Sozialen Netzwerken ?

Dann verweist das Oberlandesgericht Hamm aber daraufhin, dass es fraglich sei, ob im Verhältnis zwischen Privaten das Grundrecht aus Art. 5 I GG gemäß dem Bundesgerichtshof aktuell nur mittelbar Anwendung finde. Man wird diese Entscheidung angesichts der Quasi-Monopolstellung von Sozialen Netzwerke in Form großer Plattformen aber diskutieren müssen.

der Schutz der Meinungsfreiheit gegenüber großen Plattformen

In jedem Fall scheint eine mittelbare Anwendung in bestimmten Ausnahmefällen zwingend notwendig zu sein. Auch das Kartellrecht betont in seiner 10. Gesetzesnovelle die Regelungsbedürftigkeit großer Plattformen ausdrücklich. Ebenso sollte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur – dann zwingenden – mittelbaren Anwendung des Art. 5 I GG bei großen Plattformen entsprechend anpassen.

die mittelbare Wirkung von Grundrechten zwischen Dritten

Grundrechte schützen den Einzelnen vor Eingriffen des Staates. Zwischen Privatpersonen finden sie daher nur ausnahmsweise Anwnedung. Dies gilt z.B. hinsichtlich der Freiheit von Arbeiterinnen und Arbeitern, gemäß Art. 9 GG einer Gewerkschaft nicht beizutreten.

die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur mittelbaren Anwendung des Art. 3 I GG

Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht aber Art. 3 I GG und den darin enthaltenen Gleichheitssatz auch zwischen Privaten angewendet. Eine unterschiedliche Behandlung aufgrund eines sachlich gerechtfertigten Grundes hielt es für zulässig.

zulässige Verbote von Hassrede

Die als große Plattformen agierenden Sozialen Netzwerke verlangen eine mittelbare Anwendung der Grundrechte. Aufgrund ihrer Bedeutung für  die Meinungsfreiheit gilt dies besonders für Art. 5 I GG. Insofern wäre eine entsprechende Würdigung durch das Oberlandesgericht wünschenswert gewesen.

sachlich gerechtfertigte Unterscheidungen

Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes erweist sich im vorliegenden Fall die Sperrung des Accounts als zulässig. Insbesondere in Fällen schwerer Rechtsverstöße erscheinen diese Accountsperrungen unausweichlich.

 

 



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