der Schutz journalistischer Texte - das Recht gegen Entstellungen und Kürzungen vorzugehen. Für Journalist/Innen ist es Alltag, wenn ein Text gekürzt wird. Aber wann ist dies zulässig ? Wie ist dies für freie Schriftsteller/Innen? Hängt es von dem Vertragsverhältnis zum Medium ab? Das Urheberrecht schützt selbstverständlich auch journalistische Texte, wenn diese eine "persönliche geistige Schöpfung" im Sinne des Urheberrechtes darstellen. Daher können auch Journalisten und Journalistinnen gegen Entstellungen eines Textes gemäß § 14 UrhG vorgehen. Voraussetzung ist, dass diese Entstellungen "geeignet" sind, die "berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden".
Der Schutz journalistischer Texte - der Schutz einer "persönlichen geistigen Schöpfung" für freie Schriftsteller
Das Urheberrecht schützt explizit „Schriftwerke“ im Rahmen des § 2 I Nr. 1 UrhG, wenn es sich um eine gemäß § 2 II UrhG „persönliche geistige Schöpfung“ handelt.
Die Gedankenführung und die Verbindung von Inhalt und Form
Diese kann sowohl in der von der Gedankenführung geprägten Gestaltung der Sprache als auch in der Sammlung, Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes zum Ausdruck kommen (BGH GRUR 1997, 459, 460 – CB-infobank I; OLG Düsseldorf ZUM 2014, 242, 243). Bei Sprachwerken gelte dies, wenn bei „Inhalt oder durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches “ entstehe.
Gestaltungsspielräume im Text
Je länger dabei ein Text ist, desto größer ist der Spielraum für Gestaltungsmöglichkeiten bei der individuellen Wortwahl und Darstellungsform und es kann deshalb umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkennbar sein (OLG Köln GRUR-RR 2016, 59, 60 – Afghanistan Papiere).
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung „Geburtstagszug“ (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 2013, I ZR 143/12) für urheberrechtlich geschützte Werke ausgeführt „Es genügt daher, dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen. Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sie die Durchschnittsgestaltung deutlich überragen„. Diese Rechtsprechung findet damit auch auf journalistische Texte Anwendung.
Das geschützte Integritätsinteresse an einem Werk, dem Titel oder der Urheberrechtsbezeichnung gemäß § 39 UrhG und das Entstellungsverbot gemäß § 14 UrhG
Journalistinnen und Journalisten können können sich gegen Veränderungen an ihren Texten gemäß § 14 UrhG oder § 39 UrhG wehren. Dies gilt in jedem Fall für freie Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Bei angestellten Journalisten und Journalistinnen bedarf es eines Blickes in den Arbeitsvertrag.
Das Recht gegen Entstellungen gemäß § 14 vorzugehen
Zunächst billigt § 13 UrhG als eines von mehreren Urheberpersönlichkeitsrechten dem Einzelnen das Recht zu, die Nennung ihres oder seines Namens an einem Text oder einem Foto durchzusetzen.
§ 14 UrhG schützt die einzelne Person vor Entstellungen an dem Text, welche „geeignet sind, … berechtigten persönlichen und geistigen Interessen am Werk zu gefährden„.
Mit Urteil vom 10.08.2023, Az 144/23 hat das Landgericht Köln entschieden: „Davon ist im Streitfall auszugehen, weil sprachlich individuelle Formulierungen gestrichen worden sind und durch die Streichung von Informationen zu einer bekannten politischen Person in die geschützte Anordnung des Stoffs eingegriffen worden ist. “
Das Recht, als "Freie" gegen Entstellungen gemäß § 14 UrhG vorzugehen
In seiner Entscheidung nimmt das Landgericht Köln zudem (Urteil vom 10.08.2023, Az: 14 O 144/23) Bezug auf verschiedene Gesichtspunkte, die abzuwiegen sind.
Gesichtspunkte einer Entstellung
Von einer Entstellung bzw. sonstigen Beeinträchtigung gem. § 14 UrhG sei auszugehen, wenn der „geistig-ästhetische Gesamteindruck des Werks beeinträchtigt“ wird, die „Beeinträchtigung geeignet ist, die Interessen des Urhebers zu gefährden und eine Interessenabwägung zulasten des Beeinträchtigenden ausfällt“.
Die Interessenabwägung – der journalistische Gesamteindruck
Eine Beeinträchtigung läge „bei jeder objektiv nachweisbaren Änderung des vom Urheber bestimmten Gesamteindrucks“ vor. Bei der dann vorzunehmenden „Interessenabwägung“ kommt es insbesondere darauf an, festzustellen, welchen Einfluss die Veränderungen auf den „künstlerischen bzw. hier journalistischen Gesamteindruck des Werks“ haben. Beziehen sich die Änderungen nur auf „ganz untergeordnete Werkelemente oder sind sie sonst von nicht nennenswerter Relevanz für das gesamte Werk“, komme ihnen in der „Interessenabwägung“ auch weniger Gewicht zu.
Umgekehrt würden „erhebliche Änderungen im Gesamteindruck zu einer entsprechend schwerwiegenden Beeinträchtigung der Urheberinteressen“ führen.
Bedeutsame Kriterien der Interessenabwägung
Das Landgericht Köln hat in seinem Urteil die Bedeutung verschiedener Abwägungskriterien erläutert.
Nachrangige wirtschaftliche Erwägungen eines Verlages gegenüber Meinungsäußerungen / zustimmungsbedürftige Änderungen
Auch wenn die aus der Politik bekannte Person gegenüber der Zeitung einen Gegendarstellungsanspruch glaubhaft nachgewiesen habe, seien darauf beruhende wirtschaftliche Erwägungen des Verlages nachrangig. Dies gelte insbesondere bei Meinungsäußerungen von Autoren oder Autorinnen. Zudem dürften Journalisten auch eine Bitte um Zustimmung erwarten. Eine ohne Zustimmung vorgenommene Änderung sei aufgrund der Beeinträchtigung des Rechtes auf Meinungsäußerungen jedoch gemäß § 14 UrhG bzw. § 39 UrhG unzulässig.
Keine Zustimmungsbedürftigkeit gemäß Treu und Glauben gemäß § 39 II UrhG
Im Falle einer gemäß § 14 UrhG unzulässigen Entstellung trifft Autoren nach Ansicht des Landgerichtes Köln auch keine nach „Treu und Glauben“ notwendige Zustimmungspflicht gemäß § 39 II UrhG.
So seien bei „Printmedien lediglich die Korrektur von Schreib- oder Interpunktionsfehlern, ggf. auch die Verbesserung sprachlicher Ausdrücke etwa eines nicht muttersprachlichen Autors“ gemäß § 39 II UrhG zulässig. Die sinnentstellende Kürzung von Beiträgen hingegen sei jedoch nicht von § 39 Abs. 2 UrhG umfasst.
Keine Branchenüblichkeit eines Eingriffes in die Meinungsfreiheit
Des Weiteren führt das Landgericht aus, dass auch aus dem Vortrag der Zeitung, es entspreche „ständiger Branchenübung im Zeitungswesen, dass redaktionelle Änderungen ohne weitere Absprachen zulässig seien“, nichts anderes folge.
Denn im vorliegenden Fall handele es sich bei den von dem Verlag vorgenommenen Änderungen gerade nicht um redaktionelle Änderungen. Es gehe nicht um die Berichtigung von offensichtlichen Schreib- oder Interpunktionsfehlern, sondern die Beeinträchtigung des Werks in seinem journalistischen und sprachlichen Kern.
Fazit - zulässige Entstellungen oder Änderungen journalistischer Texte von "Freien"
Die Entscheidung des Landgerichtes Köln überzeugt in vielerlei Hinsicht. Das Gericht setzt sich mit der Journalist/Innen schützenden Meinungsfreiheit und dem Integritätsinteresse an Texten auseinander. Wichtig ist, dass das Landgericht die Verträge freier Schriftsteller und Schriftstellerinnen im Blick hat. Bei Angestellten sollte man sorgfältig den Arbeitsvertrag prüfen.
Die enge Bindung an den Text
Denn gerade auch das Urheberpersönlichkeitsrecht gemäß § 13 UrhG – namentlich genannt zu werden – verdeutlicht den engen Bezug zu eigenen Texten.
Welche Änderung ist branchenüblich ?
Aus diesem Gründen mögen zwar Schreib- und Interpunktionsfehler branchenüblicherweise korrigiert werden dürfen. Solche Änderungen aber, die den inhaltlichen Kern eines Artikels brühren, bedürfen der vorherigen Zustimmung. Fehlt diese, sind sie unzulässig.