das "Recht auf Vergessen" im Internet ? Kann man gegenüber einer Suchmaschine geltend machen, dass 9 Jahre nach einem zutreffenden Bericht über ein finanzielles Defizit eines Unternehmens entsprechende Nachrichten gelöscht werden ? Der Geschäftsführer eines Regionalverbandes einer Wohlfahrtsorganisation, die einen Fehlbetrag von 1 Million € zu verzeichnen hatte, meldete sich in dieser Krisensituation krank. Nunmehr versucht er aufgrund des Auslistungsrechtes gemäß Art. 17 DSGVO, entsprechende Berichte bei Google löschen zu lassen. Der Bundesgerichtshof lehnt auch unter Berücksichtigung des Art. 17 III a DSGVO einen entsprechenden Auslistungsanspruch ab. Aufgrund der Regelungen des europäischen Rechtes zum Recht zur Meinungsäußerung und Information gemäß Art. 17 III a DSGVO ergäbe sich auch kein Anspruch auf Löschung. Aber auch gemäß dem deutschen Recht lasse sich eine Löschung nicht rechtfertigen.
das Recht auf Vergessen im Internet
Das „Recht auf Vergessen“ beschäftigt den Bundesgerichtshof, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf den Datenschutz und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.
Der Bundesgerichtshof hat am 27.07.2020 (BGH, Urteil vom 27. Juli 2020 – VI ZR 405/18) entschieden, dass einem Kläger bei der Abwägung zwischen Informationsinteresse und Meinungsfreiheit kein überragendes Schutzrecht zusteht.
kein Vorrang für den Persönlichkeitsrechtsschutz
Der Bundesgerichtshof verneint die Frage, ob dem Persönlichkeitsrechtsschutz einer einzelnen Person grundsätzlich Vorrang vor dem Recht der Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit gebührt.
Im Falle einer zutreffenden Darstellung der Tatsachen in einem Bericht bedarf es nach Ansicht des Bundesgerichtshofes einer umfassenden Abwägung im Einzelfall.
Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit
Das Gericht hat unter Bezug auf durch verschiedene Grundrechte geschützte Rechtsgüter und der Europäischen Grundrechte Charta seine Abwägungsentscheidung getroffen. Maßgeblich seien auch die jeweilige Schwere des Eingriffes in die jeweiligen Grundrechte.
Dabei seien die Interessen der Nutzer, des Anbieters, der Öffentlichkeit und der klagenden Person zu berücksichtigen.
Aufgrund des fehlenden Vorranges des Persönlichkeitsrechtsschutzes seien alle betroffenen Interessen gleichberechtigt zu berücksichtigen.
Auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufes müßten in diesem Fall die Interessen des Klägers hinter denen der Nutzer, der Öffentlichkeit und des Anbieters zurücktreten.
Einschränkendes Kriterium – die Fortbauer der Rechtmäßigkeit der Verlinkung
Bezüglich des Klägers verweist das Gericht darauf, dass für die Entscheidung der Auslistung die fortdauernde Rechtmäßigkeit der Verlinkung maßgeblich sei.
kritische Würdigung
Die Frage der weltweiten Publikation auch von zutreffenden Informationen bewegt aus guten Gründen viele Personen. Dies gilt auch dann, wenn Sprachen eine natürliche Grenze für die Veröffentlichung von Inhalten setzen.
Insbesondere aber auch die Frage der zeitlich unbegrenzten Bereitstellung von Inhalten führt dazu, dass Informationen heute zeitlich und geographisch unbeschränkt verbreitet werden.
Insofern erscheint die Abwägung des Bundesgerichtshofes doch auch einige Fragen aufzuwerfen.
Im vorliegenden Fall hat die Tatsache, dass eine Wohlfahrtsorganisation von einer erheblichen wirtschaftlichen Schieflage zumindest bedroht war, sicher eine erhebliche Bedeutung.
Diese Bedeutung der Informationen für die Öffentlichkeit stellt sicher auch in anderen Fällen einen entscheidenden Faktor dar.