Die Panoramafreiheit gemäß § 59 UrhG und die mangelnde Vergütung für Architekt/Innen bei kommerziellen Nutzungen von Bildnissen von Bauwerken

Die Panoramafreiheit gemäß § 59 UrhG und die mangelnde Vergütung für Architekt/Innen bei kommerziellen Nutzungen von Bildnissen von Bauwerken. Das Urheberrecht ordnet grundsätzlich die Nutzung und Verwertung von Bildern von Bauwerken den Architekten zu. Nur eine Architektin oder ein Architekt dürfen Bilder ihrer Bauwerke kommerziell nutzen. Zudem aber können Architektinnen und Architekten ein Entgelt für eine kommerzielle Nutzung oder Verwertung durch Dritte verlangen. Diese Grundsätze der europäischen InfoSoc-Richtlinie 2001/29 finden bis zum heutigen Tag in Deutschland keine Anwendung. Dabei gilt im französischen Droit d`auteur entsprechend den zwingenden europäischen Vorgaben genau das Gegenteil. Die Gesetzeslage und die Rechtsprechung in Deutschland bedürfen dringend einer richtlinienkonformen Änderung.




Die aktuelle Rechtslage - der europarechtswidrige Ausschluss von Vergütungen für kommerzielle Nutzungen für Architekt/innen

Im Urheberrecht steht alleine den Kreativen die Möglichkeit der kommerziellen Nutzung oder Verwertung zu. Dabei werden durch die Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ) – Art. 9 II – oder den Welturheberrechtsvertrag – dort Art. 10 I – die Ansprüche der Künstlerinnen und Künstler auf eine angemessene Vergütung ausdrücklich geschützt. Dies gilt insbesondere auch im Falle gesetzlicher Ausnahmeregelungen zur Nutzung urheberrechtlich geschützter Bauwerke in Form von Bildern dieser Bauwerke und ihrer kommerziellen Nutzung.

die Regelungen der europäischen InfoSoc-Rl 2001/29 und der Anspruch auf angemessene Vergütung in Art. 5 V Rl 2001/29

Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (InfoSoc) regelt wichtige Aspekte des Urheberrechtes.

Diese InfoSoc-Rl gestattet in bestimmten Ausnahmefällen die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken ohne die Zustimmung der Kreativen. Zu den geschützten Werken gehören neben Lichtbildwerken, Büchern, Filmen, Texten, Musik, Computersoftware auch Werke der bildenden Kunst wie Bauwerke.

Im Falle der sogenannten Panorama-Freiheit gestattet das europäische Recht die Vervielfältigung von an öffentlichen Straßen, Plätzen oder Wegen oder befindlichen Kunst- oder Bauwerken. Diese Vervielfältigung erfolgt zumeist in Form von Fotografien.

Art. 5 V der Richtlinie schreibt für diesen Fall aber ausdrücklich vor: „Die in den Absätzen 1, 2, 3 und 4 genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden“.

Seit 2001 bleibt jedoch Art. 5 V der InfoSoc-Rl in Deutschland durch Gesetzgebung und Rechtsprechung unbeachtet.

 


Die deutsche Rechtslage zur Panorama-Freiheit § 59 UrhG - keine Vergütung für kommerzielle Nutzung und Verwertung

Das deutsche Recht sieht jedoch entgegen den europarechtlichen und völkerrechtlichen Verpflichtungen in § 59 UrhG keinerlei Vergütungen für die kommerzielle Nutzung oder Verwertung von Bildern von Bauwerken vor.

die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in „East Side Gallery“ und „AIDA Kussmund“

Der Bundesgerichtshof hat sich im Jahr 2017 (BGH, Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15 –, juris, Rdnrn. 15 ff. – „AIDA Kussmund“) wie auch der vorausgegangenen Entscheidung „East Side Gallery“ nicht ausdrücklich zu Vergütungsansprüchen im Falle des § 59 UrhG äußern müssen.

Die Klägerin hatte offenkundig verkannt, dass ihr auch im Falle der Anwendung des § 59 UrhG bei europarechtskonformer Auslegung eine Vergütung für kommerzielle Nutzungen zustehen musste.

Jedoch geht der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung fehl in der Annahme, dass eine gewerbliche Nutzung und Verwertung ohne Vergütung nicht zu einer Versagung der Nutzung hätte führen müssen oder keine Vergütung zur Folge haben müsste (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15 –, juris, Rdnrn. 15 ff. – „AIDA Kussmund“ ). Eine kommerzielle Nutzung oder Verwertung ohne Vergütung schließt Art. 5 V Rl 2001/29 gerade aus.

die Mängel der rechtswissenschaftlichen Kritik und der rechtswissenschaftlichen Forschung

Der Bericht Enquete-Kommission des Bundestages „Kultur für Deutschland“ hatte schon im Jahr 2007 eine Vergütungspflicht für Kreative hinsichtlich der kommerziellen Nutzung von Bildern für Bauwerke gefordert (Drucksache 16/7000, S. 265). Auch der Deutsche Kulturrat empfahl 2009 genau diese Vergütungspflicht.

Dennoch hat es weder das Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum in München im Jahre 2011 geschafft, die grundsätzliche Vergütungspflicht wie von der Rl 2001/29, RBÜ und Welturheberrechtsabkommen gefordert als unabdingbare Schutzvoraussetzung zu definieren. Auch in der rechtswissenschaftlichen Kritik wird die grundsätzliche Notwendigkeit einer Vergütungspflicht im Falle einer kommerziellen Nutzung vollkommen verkannt.

Ohne eine gesetzliche Vergütungspflicht im Falle der kommerziellen Nutzung von Bildern von Bauwerken ist eine Berücksichtigung der „berechtigten Interessen des Rechtsinhabers“ gemäß Art. 5 Abs V Rl 2001/29 jedoch ausgeschlossen.


Die Rechtslage in Frankreich - das Droit d`auteur

Im Gegensatz zu Deutschland hat Frankreich die Regelungen der Rl 2001/29 vollständig umgesetzt und damit Art. 5 V berücksichtigt.

die Ausnahmeregelung des Droit d’auteur

In Frankreich bezieht sich die gesetzliche Ausnahmebestimmung: „L122-5, No. 11, erster Absatz – („Les reproductions et représentations d’oeuvres architecturales et de sculptures, placées en permanence sur la voie publique, réalisées par des personnes physiques, à l’exclusion de tout usage à caractère commercial.“) auch ausdrücklich auf Werke der Architektur. Auch diese dürfen an öffentlichen Wegen fotografiert werden. Jedoch schließt schon diese Ausnahmebestimmung jeden kommerziellen Gebrauch aus – „à l’exclusion de tout usage à caractère commercial.

die gesetzliche Vergütungspflicht für kommerzielle Nutzungen

L122-5, No. 11, zweiter Absatz sieht ausdrücklich eine gesetzliche Vergütungspflicht vor, wenn es nicht nur um Information, sondern eine kommerzielle Verwertung handelt („Les reproductions ou représentations qui, notamment par leur nombre ou leur format, ne seraient pas en stricte proportion avec le but exclusif d’information immédiate poursuivi ou qui ne seraient pas en relation directe avec cette dernière donnent lieu à rémunération des auteurs sur la base des accords ou tarifs en vigueur dans les secteurs professionnels concernés.“).

Damit ist der Grundsatz der Vergütungspflicht gesetzlich verankert. Die Frage, welche Höhe diese Vergütungen dann haben soll, ist gemäß dem „Drei-Stufen-Test“ zu lösen. Die Annahme des Bundesgerichtshofes – der sich geweigert hat, diese Frage dem EuGH vorzulegen -, eine Widmung an die Öffentlichkeit durch die Kreativen schließe deren Anspruch auf eine Partizipation an einer kommerziellen Nutzung und Verwertung aus, steht im klaren Widerspruch zur Richtlinie.

 


Haftungsansprüche gegen den Gesetzgeber, Bundesgerichtshof und die Verwertungsgesellschaft

Die Rechtsfolgen der mangelnden Umsetzung der Richtlinie durch den Bundesgesetzgeber, die Weigerung des Bundesgerichtshofes, den EuGH anzurufen und die Weigerung der Verwertungsgesellschaft, den Rechtsstreit vor den EuGH zu tragen, sind dramatisch.

Seit mehr als zwanzig Jahren wird den Kreativen in Deutschland die ihnen zustehende Vergütung vorenthalten. Im Falle der kommerziellen Nutzung und oder Verwertung von Bildern von Kunstwerken steht den Kreativen eine angemessene Partizipation zwingend zu.

europarechtswidrige Auslegung ohne Vorlage vor den EuGH führt zum Amtshaftungsanspruch des Bundesgerichtshofes

Die Annahme des Bundesgerichtshofes, „Daher sind neben den Interes-
sen des Urhebers die durch die Schrankenbestimmung geschützten Interessen
zu berücksichtigen und ihrem Gewicht entsprechend für die Auslegung der ge-
setzlichen Regelung heranzuziehen. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass
eine enge, am Gesetzeswortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren,
dem Gewicht der durch die Schrankenbestimmung geschützten Interessen ge-
nügenden Interpretation weichen muss“ (vg.  BGH, Urteil vom 27.04.2017 – I ZR 247/15 –, juris, Rdnrn. 17  – „AIDA Kussmund“  ) ist nicht haltbar.

Diese – nicht dem EuGH vorgelegte – Abwägung verstößt gegen den Wortlaut und Sinn des Art. 5 V. Sie setzt sich aber auch über die Erwägungsgründe 35, 38 und 44 der Richtlinie hinweg. Zudem verkennt der Bundesgerichtshof die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik gemäß der Revidierten Berner Übereinkunft und dem Welturheberrechtsabkommen, welche in den Erwägungsgründen 35, 38 und 44 der Richtlinie ausdrücklich zitiert werden.

das Versagen des Gesetzgebers – Amtshaftungsanspruch des Gesetzgebers

Im Falle einer mangelhaften Umsetzung einer europäischen Richtlinie steht den Begünstigten ein Amtshaftungsanspruch gegenüber dem zuständigen nationalen Gesetzgeber zu.

Diese Rechtsprechung zu der fehlerhaften Umsetzung des Pauschalreisen-Richtlinie führt im vorliegenden Fall zu der Amtshaftung des Bundesgesetzgebers (vgl. „Francovich“ Rechtsprechung EuGH).

die mangelnde Geltendmachung der Vergütungsansprüche durch die Verwertungsgesellschaft

Die französische Regelung macht noch einmal deutlich, daß auch Vergütungen für Architektinnen und Architekten gemäß den Vergütungstabellen der zuständigen Verwertungsgesellschaften zu zahlen sind.

Die Annahme, eine kommerzielle Nutzung oder Verwertung könne aufgrund der Widmung der Arbeiten an öffentlichen Plätzen einen Vergütungsanspruch ausschließen, verkennt nicht nur den natürlichen Standort von Bauwerken in der Öffentlichkeit. Er unterstellt zudem auch den Kreativen einen „Willen zur Widmung“, welcher im klaren Gegensatz zu den zwingenden Forderungen der Richtlinie steht. Diese verlangt von den Mitgliedstaaten der Union, daß die „berechtigten Interessen der Rechtsinhaber nicht ungebührlich verletzt werden„.

Dies schließt definitionsgemäß eine mangelnde Partizipation an den Ergebnissen einer kommerziellen Verwertung und Nutzung aus.



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