Landkarten für eine freie Presse ! Darf eine Zeitung ausführliche militärische Lageberichte veröffentlichen und durch einen Link der Öffentlichkeit den Zugang zu diesen Unterlagen vermitteln? Der Bundesgerichtshof wendet auf diese Lagebrichte, die gemäß dem Urheberrecht als individuelle geistige Schöpfungen geschützt sind, die Ausnahmebestimmung des § 50 UrhG an und wägt dabei verschiedene Grundrechte gegeneinander ab. Dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland am urheberrechtlich geschützten Eigentum der Lageberichte steht das Interesse an der Veröffentlichung gemäß Art. 5 I GG und damit die Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber.
Landkarten für eine freie Presse
Der Bundesgerichtshof schlägt der Meinungs- und Informationsfreiheit eine Bresche und ficht für das Presserecht der Verlage. Die Entscheidung „Afghanistan – Papiere II“ des Bundesgerichtshofes (I ZR 139/15, Urt. v. 30.04.2020) betrifft die Veröffentlichung von militärischen Lageberichten und die Auseinandersetzung um die Frage, ob der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan eine „Friedensmission“ oder ein „Kampfeinsatz“ gewesen sei.
der urheberrechtliche Schutz von Lageberichten?
Die Entscheidung läßt ausdrücklich offen, ob diese Lageberichte tatsächlich einen Schutz des Urheberrechtes in Anspruch nehmen können. Dabei kommt es nicht nur auf die einzelnen Werkkategorien gemäß § 2 I UrhG (Texte oder Musik oder Bilder oder Lichtbildwerke) an, sondern auch die allgemeine Schutzvoraussetzung des § 2 II UrhG. Geschützt werden individuelle geistige Schöpfungen, was bei militärischen Lageberichten fraglich sein kann.
die Verletzung von Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechten und des Urheberpersönlichkeitsrechtes, alleine über Veröffentlichungen zu entscheiden
Das Bundesverteidigungsministerium hatte sich auf die Verletzung seiner ihm gemäß dem Urheberrecht exklusiv zustehenden Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte berufen. Außerdem macht das Ministerium geltend, es alleine habe das Recht, über die Veröffentlichung die Lageberichte gemäß § 14 UrhG, einem Urheberpersönlichkeitsrecht, zu entscheiden.
der Schutz eines Werkes und die Abwägungen zugunsten der Presse- und Meinungsfreiheit
der Schutz von Werken gemäß dem europäischen Recht
Der Bundesgerichtshof stützt sich bei seiner Entscheidung auch auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Einschränkungen des Urheberrechtes durch die Informations- und Pressefreit (C-469/17, GRUR 2019, 934 – Funke Medien). Der EuGH bezieht sich auf die Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechtes (2001/29/EG) und definiert die Voraussetzungen des Schutzes von Werken.
Danach muss ein Werk eine eigene geistige kreative Schöpfung einer Person sein, bei welcher die schöpferischen Fähigkeiten dieser Person zum Ausdruck kommen.
Für die Lageberichte des Verteidigungsministeriums entschied sich der EuGH nicht. Er legte aber für den Bundesgerichtshof fest, dass dieser zu entscheiden habe. Er muss festlegen, ob die notwendige Kreativität in dem entsprechenden Dokument auch durch die entsprechende Auswahl, Anordnung und Komination erreicht worden ist.
Urheberschutz gegen Informations- und Pressefreiheit
Der Schutz von kreativen Werken findet nach Ansicht des EuGH und dann auch des BGH seine Grenzen in der Informations- und Pressefreiheit. Dabei weisen EuGH und BGH aber ausdrücklich darauf hin, dass diese Ausnahmen eng auszulegen sind und den Schutz der Kreativen weiterhin gewährleisten müssen.
In diesem Fall sahen es beide Gerichtshöfe die Veröffentlichung als gerechtfertigt an. Aufgrund des besonders wichtigen Ereignisses und der umfangreichen Berichterstattung des Verlages zu diesem Thema gehe die Informations- und Pressefreiheit dem Urheberrecht der Bundesrepublik vor.