Pressearbeit der Staatsanwaltschaft und Verlage - das Recht auf ein faires Verfahren! Im Strafprozess wie auch bei den Zivilgerichten gilt, dass den Beschuldigten und später den Angeklagten ein Recht auf ein faires Verfahren zusteht. Gemäß Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und sowie Art. 1 des Grundgesetzes soll jede Person gemäß Art. 20 III GG ein faires, rechtsstaatliches Verfahren erwarten dürfen. Sowohl der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) als auch das Landgericht Köln haben der Pressearbeit der Behörden bzw. des Axel-Springer-Verlages Grenzen aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes gesetzt.
Landgericht Köln - die Untersagung der identifizierenden Berichterstattung während des Ermittlungsverfahrens
Das Landgericht Köln (Beschluß vom 19.08.2019, 28 O 344/19) hatte gegen den Axel-Springer-Verlag eine Einstweilige Verfügung erlassen. Durch diese wurde dem Verlag die identifizierende Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren gegen einen Sportler untersagt.
In diesem Verfahren hat das Landgericht dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Sportlers gegenüber dem allgemeinen Informationsinteresse Vorrang eingeräumt.
Grundsätzlich ist die Verdachtsberichterstattung nach Ansicht des Bundesgerichtshofes zulässig. Nach Ansicht des Landgerichtes Köln darf eine solche Berichterstattung aber nicht erfolgen, wenn es an einem „Mindestbestand an Beweistatsachen fehlt„.
Die auf eine Vorverurteilung hinwirkende Berichterstattung
Damit stellte das Landgericht insbesondere auf die konkrete Gestaltung der Berichterstattung des Axel-Springer-Verlages ab, die auf eine Vorverurteilung hinausliefe.
Das Landgericht selbst gab deshalb zu dem Fall keine weiteren Erklärungen mehr ab.
Bayerische Verwaltungsgerichthof - die Grenzen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat durch eine Entscheidung die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft Regensburg gerügt (Beschl. vom 20.08.2020, 7 ZB 19.1999).
Die Staatsanwaltschaft hatte Anklage bei dem zuständigen Gericht erhoben. Die Anklageschrift war per Fax an den zuständigen Anwalt gesandt und 2 Stunden später eine Pressekonferenz zu dem Verfahren eines bekannten Regensburger Politikers abgehalten worden.
Fehlende Zeit zur Stellungnahme und mangelnde Übermittlung wesentlicher Ermittlungsergebnisse
Der Verwaltungsgerichtshof beanstandet zwei Gesichtspunkte der Pressearbeit der Anklagebehörde. Einmal sei die Zeitspanne von 2 Stunden zu kurz gewesen, um dem Anwalt des Beschuldigten eine Stellungnahme zu dem 25seitigen Schriftsatz zu ermöglichen.
Außerdem sei dem Rechtsbeistand das wesentliche Ermittlungsergebnis nicht übermittelt worden.
Das Recht auf ein faires Verfahren im Strafprozess
Das oberste bayerische Verwaltungsgericht sah durch diese beiden Fehler das Recht auf ein faires Strafverfahren verletzt.
Die Staatsanwaltschaft habe den auch im Strafrecht geltenden „Grundsatz der Waffengleichheit“ nicht beachtet. Ein Angeklagter oder sein Verteidiger müsse die Klageschrift zur Kenntnis nehmen und auf das behördliche Verhalten reagieren können.
Kritische Anmerkungen
Sowohl die Entscheidung des Landgerichtes Köln als auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes stärken den Grundsatz des fairen Verfahrens für Ermittlungs- und Strafverfahren.
Die Unterstützung des „Grundsatzes der Waffengleichheit“ sichert dabei nicht nur den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Sie ermöglicht auch den Verteidigern, die Rechte ihrer Mandanten und Mandantinnen im Rahmen eines – justizförmigen – Strafverfahrens zu wahren.
Verfolgt man die tägliche Berichterstattung, gerät vielfach in Vergessenheit, dass einzig ein Strafgericht ein Urteil in Fragen einer strafrechtlichen Anklage fällen darf.