Schadensersatz wegen geschlechtsdiskriminierender Anrede? Können Menschen, die sich durch die binäre Geschlechtsidentität nicht angesprochen fühlen, Schadensersatz geltend machen? Das Landgericht Frankfurt a.M. hat entschieden, dass auch im Massengeschäft die Ansprache der Geschlechtsidentität entsprechen muss. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes gemäß dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor. Ein Schadensersatzanspruch folgt daraus aber nicht.
Geschlechtsidentität und Allgemeines Anti-Diskriminierungsgesetz
Die Geschlechtsidentität wird nicht alleine durch die binäre Definition von „Mann“ oder „Frau“ bestimmt. Aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt, dass die Beachtung einer eigenen Geschlechtsidentität auch gerichtlich geltend gemacht werden kann.
Das Urteil des Landgerichtes Frankfurt am Main – Unterlassung und Schadensersatz ?
Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 03.12.2020 entschieden, dass auch im Massengeschäft die zutreffende Anrede beachtet werden muss.
Menschen, die eine eigene Geschlechtsidentität geltend machen, können dies auch im Rahmen des Massengeschäfts des Internets.
Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht
Die unrichtige Anrede stellt nach Ansicht des Landgerichtes einen Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrechtes gemäß §§ 823 I, 1004 I 2 BGB dar.
Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.10.2017 (1 BvR 2019/16) könne eine betroffene Person den Schutz ihres Persönlichkeitsrechtes geltend machen.
§ 21 AGG beinhalte insofern auch keine abschließende Regelung.
Keine Verletzung des Anti-Diskriminierungsgesetz bei Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertrages
Jedoch bildet dies keine Beeinträchtigung bei der Begründung, der Durchführung oder der Beendigung eines Vertragsverhältnisses nach § 19 Abs. I Nr. 1 AGG.
Denn eine Ausgrenzung im Sinne des § 19 AGG liege gerade nicht vor. Die betroffenen Personen können wie andere auch Verträge begründen, durchführen und beenden. Auch Verstoß gegen eine vertragliche Nebenpflichtverletzung ergebe sich nicht.
Kein Schadensersatz gemäß § 21 II Satz AGG
Jedoch komme es nicht zu einer auf dem Geschlecht beruhenden Differenzierung bei dem Abschluss, der Durchführung oder der Beendigung eines Vertrages. Ein Schadensersatzanspruch scheide daher aus.
Kritische Anmerkung / Beratungshinweis
Das Landgericht Frankfurt a.M. bietet im vorliegenden Fall eine wohltuende Differenzierung an.
Es stärkt einmal Menschen mit einer eigenen Geschlechtsidentität auch im Rahmen des Zivilrechtes den Rücken. Ansprüche können nicht nur aufgrund des Allgemeinen Anti-Diskriminierungsgesetzes (AGG) geltend gemacht werden.
Auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt einzelne Menschen im Massengeschäft des Internets.
Da es aber bei dem tatsächlichen Vertragsbeginn, der Vertragsdurchführung und der Vertragsbeendigung nicht zu einer diskriminierenden Behandlung komme, gäbe es auch keinen Schadensersatzanspruch.
Für Online-Händler und -Händlerinnen ist aber wichtig, dass die erfolgreiche Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen immer auch einen Kostenersatzanspruch nach sich ziehen kann.
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