Was darf Satire in Deutschland?

Nach Kurt Tucholsky "Alles". Wie wichtig dieses Statement ist, merkt man gerade in diesen Tagen (April 2016), wenn Jan Böhmermann die Grenzen austestet.


Darf Satire in Deutschland wirklich alles?

Juristisch wichtig ist die Frage, ob die aktuellen Äußerungen welche – ohne satirischen Bezug – zweifelsohne schwerwiegende Beleidigungen im Sinne des Zivil- und Strafrechtes, welche zudem einen rassistischen bzw. sexistischen Hintergrund haben, denn durch ihre Verbrähmung („das ist alles nicht erlaubt“ / „das sind die Grenzen der Meinungsfreiheit“) einen entsprechenden Deckmantel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes haben, dass ansonsten – unstreitig – unzulässige Beleidigungen rechtmäßig wären.

Dies ist sehr schwierig zu beantworten, denn es kommt auch auf den sogenannten „Empfängerhorizont“ – hier der Fernsehzuschauer – an, welche diese Satire sehen. Wichtig ist – und das ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – dass die Frage des Geschmacks für die rechtliche Beurteilung keinerlei Rolle spielt.

Fraglich ist, inwiefern denn der weitere Bezug auf die vorangegangenen Ereignisse – die Satire von „extra3“ und die Reaktion der Bundeskanzlerin – rechtlich zu berücksichtigen sind. Tatsächlich spielt die „Schmähkritik“ auf diese Ereignisse ausdrücklich an und ist ohne diese erste Satire von „extra3“, die verhaltene Reaktion der Bundeskanzlerin und den Umgang des türkischen Staatspräsidenten mit Medien und Journalisten im eigenen Land aber gar nicht denkbar.

Bedeutsam ist zudem auch die weitere persönliche Haltung des Moderators Jan Böhmermann, der ersichtlich keinerlei rassistische oder sexistische Ansichten vertritt, dennoch aber genau solche Beleidigungen benutzt, die – in anderen Zusammenhängen – bei AfD, NPD oder NSU – in jedem Fall eine Strafbarkeit auslösen.

Aufgrund der persönlichen Strafanzeige prüft nun die Staatsanwaltschaft in jedem Fall die Strafbarkeit, ungeachtet des vielfach besprochenen Verfahrens nach § 103 StGB, welches wohl kaum mehr lang geltendes Recht sein wird.

Diese sperrige Norm wird vor allem deshalb dem „juristischen Reißwolf“ anheimfallen, weil sie Politiker / Politikerinnen nicht nur eine formale Entscheidung auferlegt, sondern ausdrücklich eine politische Entscheidung beinhaltet, die aber offenkundig in Zukunft niemand fällen möchte.

Da sich der Moderator nunmehr geweigert hat, eine Unterlassungserklärung abzugeben, wird der Anwalt des türkischen Staatspräsidenten eine sogenannte Einstweilige Verfügung beantragen und der Anwalt von Jan Böhmermann wird eine sogenannte Schutzschrift bei dem – für das ZDF aufgrund seines Staatsvertrages – zuständigen Mainzer Landgericht hinterlegen, in welcher der Anwalt von Jan Böhmermann beantragen wird, dass keine Entscheidung ohne eine Anhörung seines Mandanten erfolgt, was ansonsten aber der Kern einer Entscheidung eines Einstweiligen Verfügungsverfahrens ist, bei welchem man in der Regel innerhalb weniger Tage eine Entscheidung herbeiführen möchte.

Beide Parteien können gegen diese Entscheidung des Mainzer Landgerichtes – bei welcher ein Vergleich ausgeschlossen sein wird – Berufung zum Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz einlegen. Im Eilverfahren ist dann der Rechtsweg beendet, wenn nicht eine der Parteien – auch das ist denkbar – das Bundesverfassungsgericht – auch in einem eigenen Eilverfahren – bemühen möchte.

Der ganze Rechtsstreit kann also binnen weniger Wochen auch das höchste deutsche Gericht beschäftigen.

Erkennt dann aber immer noch nicht die unterlegene Partei ihr Unterliegen an, so wird dann ein sogenanntes Hauptsachverfahren – beginnend bei dem Mainzer Landgericht, dem Oberlandesgericht Rheinland-Pfalz und dann zum Bundesgerichtshof geführt werden, dessen Entscheidung dann abermals zum Bundesverfassungsgericht führen kann.

Ist man mit diesen Entscheidungen noch nicht zufrieden, kann der Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fortgeführt werden.

Dies sind aber nur die zivilrechtlichen Schritte.

Kommt es hingegen zu einer Anklage vor dem Strafgericht, so kann auch dort eine Entscheidung erst dieses Land- oder Amtsgerichtes, dann aber des Berufungsgerichtes herbeigeführt werden, auch hier steht am Ende erst das Bundesverfassungsgericht und dann – unter Umständen – auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.



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